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Maison Borrigs

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Mitte des 18. Jahrhunderts ließ der Linster Pfarrer Johann Otto Borrigs (1714-1783) ein herrschaftlich erscheinendes Pfarrhaus mit zwei landwirtschaftlich genutzten Nebengebäuden errichten. Die Gebäude befinden sich in direkter Nachbarschaft der einige Jahre später ebenfalls auf Veranlassung Borrigs errichteten, barocken Pfarrkirche St. Martin. Mit der seit 1961 unter Denkmalschutz stehenden Kirche bildet das Pfarrhaus mit seinen Nebengebäuden ein architektonisches, historisch in engem Zusammenhang stehendes Ensemble. Das Grundstück mit altem Baumbestand ist ebenfalls in enger Verbindung mit den Gebäuden zu betrachten, denn Borrigs legte hier 1750 einen Garten an, der die Keimzelle des gesamten Ensembles bildete.

Johann Otto Borrigs wurde 1714 in Koblenz geboren und war dort auch Kaplan in der Liebfrauenkirche.(1) 1744 erfolgte die Ernennung zum Pfarrer von Linster. 1750 legte er um das alte, heute nicht mehr vorhandene Pfarrhaus einen von einer Mauer umgebenen Garten an.(2) Das herrschaftlich anmutende Pfarrhaus soll 1762 errichtet worden sein,(3) ein Medaillon im Zwerchgiebel an der Ostfassade scheint jedoch die Jahreszahl „1764“ zu zeigen. Eine weitere Inschrift befindet sich im Zwerchgiebel an der Westfassade. Sie gibt stolz den Namen des Bauherrn kund: „DOMUS PARROCHALIS ERECTAS UB PASTORE IOANNE OTTONE BORRIGS“ (Pfarrhaus erbaut von Pfarrer Johann Otto Borrigs“).

 

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1772 bis 1774 wurde östlich des Pfarrhauses die Pfarrkirche St. Martin erbaut. 1783 verstarb Borrigs und wurde vor dem Eingang der Pfarrkirche auf der rechten Seite begraben.(4) 1896 ließ der damalige Pfarrer Johann Nikolaus Krier (1878-1915) eine Gedenktafel anbringen. Das von Borrigs errichtete Pfarrhaus konnte seine ursprüngliche Funktion nicht sehr lange erfüllen. 1799 erfolgte seine Versteigerung im Zuge der Beschlagnahmung von Kirchgütern in Folge der Eroberung des Landes durch französische Revolutionstruppen.(5) Die späteren Pfarrer von Junglinster wohnten zunächst in gemieteten Häuser,(6) ab 1827 in einem von der Gemeindeverwaltung eingerichteten Pfarrhaus.(7) Das von Borrigs errichte Pfarrhaus ging 1799 in den Besitz von Johann Pütz, der Pächter der Herrschaft Linster und Friedensrichter am Kantonalhauptort Betzdorf war.(8) Pfarrhaus, Nebengebäude und Garten verblieben in Privatbesitz, bis das gesamte Ensemble in jüngster Zeit durch die Gemeinde Junglinster erworben wurde.

Die früheste bildliche Darstellung des Ensembles aus Pfarrhaus mit Nebengebäuden und Pfarrkirche liefert wahrscheinlich die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstandene Ferraris-Karte.(9) Sie zeigt das Pfarrhaus mit zwei nördlich von ihm liegenden Nebengebäuden, östlich davon den von einer Mauer umgebenen Kirchhof, in dessen Mitte sich die Pfarrkirche befindet. Ob es sich bei der hier eingetragenen Kirche bereits um die barocke St. Martins-Kirche handelt, ist nicht eindeutig feststellbar, es liegt jedoch im Bereich des Möglichen, da die Ferraris-Karte in den Jahren 1771 bis 1778 erstellt worden ist. Das Ensemble aus Pfarrhaus und Kirche befindet sich auf einem von allen Seiten von Straßen umgebenen Grundstück. Diese Siedlungsstruktur lässt sich noch heute vor Ort wiedererkennen, das Ensemble kann daher auch als das bis heute erhaltene, ursprüngliche Herzstück der Siedlung bezeichnet werden. Die Ferraris-Karte zeigt eine von der Südseite des Pfarrhauses ausgehende Mauer, die nach Osten abknickt und bis zum östlichen Ende des Kirchhofs verläuft.

Über die Zusammensetzung des Ensembles in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts liefern Katasterpläne Aufschluss. Bereits 1811 wurde ein erster Katasterplan von Junglinster erstellt, der das Pfarrhaus mit einem direkt an seine Nordseite angebauten Nebengebäude sowie östlich von diesem ein separates, kleineres Bauwerk zeigt.(10) Zudem sind südlich des Pfarrhauses drei kleinere Gebäude eingezeichnet. Diesem ersten Katasterplan folgt 1830 ein weiterer, der in einigen Punkten von dem früheren Plan abweicht.(11) So ist das nördliche Nebengebäude nun nur noch über eine Mauer mit dem Pfarrhaus verbunden und nicht mehr direkt an dieses angebaut. Zudem sind die kleineren Gebäude südlich des Pfarrhauses nicht mehr eingezeichnet. Hingegen ist ein sehr kleines Bauwerk, das sich zwischen den beiden Nebengebäuden befindet, hinzugekommen.

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Manche der Unterschiede zwischen den beiden Plänen sind höchstwahrscheinlich damit zu erklären, dass der spätere Plan eine exaktere Darstellung zeigt. Die nördliche Giebelfassade des Pfarrhauses beispielsweise zeigt keinerlei Merkmale, die darauf schließen lassen könnten, dass sich ursprünglich ein Nebengebäude direkt an sie angeschlossen hätte. Auf dem Katasterplan von 1830 ist an der nordöstlichen Ecke des kleineren Nebengebäudes eine kleine Kapelle oder ein Wegkreuz eingezeichnet. Beide Katasterpläne zeigen die Umfassungsmauer des Grundstücks.

Veränderungen sowohl am Zuschnitt des Grundstücks, wie auch der Bebauung, werden durch zwei Katasterpläne aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dokumentiert. Der erste der beiden Pläne ist auf 1855 datiert.(12) Er zeigt Veränderungen am Zuschnitt der Parzelle, auf der sich Pfarrhaus und Nebengebäude befinden. Bis 1855 trug diese Parzelle die Urkatasternummer 2101, der Katasterplan aus diesem Jahr zeigt die Abtrennung eines Teils dieser Parzelle an der Südseite, sowie eine Vergrößerung an der Westseite. Die neue Parzelle trug die Nummer 2101/994 und grenzte im Süden an eine ebenfalls neue Parzelle mit der Nummer 1941/988. Der Katasterplan zeigt auch, dass westlich des Pfarrhauses ein kleines, zur Schwarzen Ernz fließendes Gewässer verlieft. Dieses Gewässer ist auch schon auf dem Urkatasterplan von 1830 zu sehen. Die vom Plan von 1855 dokumentierten Veränderungen legen nahe, dass der Verlauf dieses Gewässer damals teilweise verändert wurde.

Der zweite Katasterplan ist auf 1872 datiert.(13) Er dokumentiert den Abriss des größeren, nördlich des Pfarrhaus gelegenen Nebengebäudes und seinen Ersatz durch ein neues, heute noch vorhandenes Gebäude, wie auch eine Anmerkung im zugehörigen tableau indicatif supplémentaire belegt: „démolition de la grange et reconstruction sur une autre place“(14)

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Zusammensetzung des Ensembles

Das Pfarrhaus bildet zusammen mit seinen Nebengebäuden, dem Garten, verschiedenen Mauern auf dem Grundstück, Umfassungsmauern sowie der bereits unter Denkmalschutz stehenden Pfarrkirche St. Martin ein schutzwürdiges, in seiner Vollständigkeit seltenes Ensemble von sehr hohem architektonischem und historischem Wert. Die Bauwerke und der Garten erstrecken sich über zwei Parzellen, die zusammen eine Größe von nahezu einem Hektar haben. Das Grundstück besitzt eine unregelmäßige Form. Von seinem südlichsten bis zu seinem nördlichsten Rand besitzt es eine Länge von 160 Metern, die maximale Breite beträgt in etwa 75 Meter. Umfassungsmauern verlaufen entlang der Ost, Südost und Südseite des Grundstücks, teilweise auch an der Nordseite.

Im Norden, von der Rue Bourglinster ausgehend, gewährt ein schmiedeeisernes Tor mit gepflastertem Vorplatz Zugang zum Grundstück, im Süden, von der Rue de Village aus eine schmiedeeiserne Pforte. Weitere Mauern, die aus der Ursprungszeit des Ensembles stammen, haben sich auf dem Grundstück erhalten. Pfarrhaus und Nebengebäude befinden sich in der nordöstlichen Ecke des Grundstücks und stehen in einer Dreiecksformation zueinander. Der Garten weist sehr dichten und alten Baumbestand auf.

Eine genaue Aufnahme der Bäume in einem Inventar wäre wünschenswert. Südlich und westlich des Pfarrhauses erstrecken sich heute teilweise bereits wieder zugewachsene Rasenflächen mit angelegten Wegen und in Form geschnittenen Buchsbaumsträuchern von hohem Alter. Hinsichtlich der Gestaltung des Gartens wäre ebenfalls eine von einer Expertin oder einem Experten für historische Gärten durchgeführte Analyse erstrebenswert, auch um zu klären, ob die ursprüngliche, von Borrigs veranlasste Anlage des Gartens noch in Teilen erkannt werden kann. Westlich des Pfarrhauses verläuft ein schmaler Graben, der von dem bereits auf dem Urkatasterplan von 1830 eingezeichneten Wasserlauf stammen dürfte.

 

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Pfarrhaus

Das Pfarrhaus ist ein imposantes Bauwerk, das sich auf einer Grundfläche von 13 x 25 Metern über zwei Wohngeschosse und ein Dachgeschoss erhebt und teilweise unterkellert ist. Vom nördlichen Gartentor für ein breiter Weg zum Haus und entlang seiner Ostfassade, an der Westseite befindet sich eine später errichtete, halbkreisförmige Betonterrasse. Aufgrund des aufwendig gestalteten Steinportals des Haupteingangs kann bei der Ostseite von der Hauptfassade gesprochen werden. Dies ergibt auch hinsichtlich der Orientierung zur Pfarrkirche Sinn. Die nach Süden orientiert Giebelfassade zeichnet sich ebenfalls durch eine aufwendige Gestaltung aus, während die nördliche Giebelfassade, die ursprünglich sehr nahe an einem Nebengebäude lag, nur wenige Fensteröffnungen und spärlich eingesetzten Schmuck aufweist. Die äußere Gestaltung des Pfarrhauses spiegelt sich im Inneren wider, denn die repräsentativsten Räume befinden sich in der südlichen Hälfte, während in der Nordhälfte hauptsächlich einfachere, ursprünglich der Hauswirtschaft und der Unterbringung von Bediensteten zugedachte Räume zu finden sind.

Die zweigeschossige Hauptfassade ist symmetrisch aufgebaut und in fünf Vertikalachsen gegliedert. Seitlich wird sie durch gequaderte Ecklisenen aus gelbem Sandstein eingefasst. Die horizontale Gliederung besteht aus einem niedrigen Sandsteinsockel, einem Sandsteingurtgesims sowie einem mehrfach profiliertem Kranzgesims, ebenfalls aus gelbem Sandstein. Die Fenster und die Haustür sind von Sandsteinrahmungen umgeben. Die Wandflächen tragen einen beigebraun gestrichenen Putz, der in unregelmäßiger Verteilung kleine Löcher aufweist, um die Sandsteinelemente und in den Brüstungsfeldern der Fenster ist der Putz glattgezogen, wodurch die Steinelemente besonders zur Geltung kommen.

Zum Haupteingang mit dem barocken Holztürblatt mit Oberlicht führt eine vierstufige, pyramidale Steintreppe. Die Mittelachse wird durch die aufwendige Portalarchitektur, die sich über das Erdgeschoss bis zu einem Dreiecksgiebel im Kranzgesims fortsetzt, betont. Das hoch aufragende, schiefergedeckte Mansarddach mit Krüppelwalmen trägt drei Mansardfenster, auf dem Oberdach befinden sich zwei kleine Satteldachgauben mit Holzrahmung.

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Zum Haupteingang mit dem barocken Holztürblatt mit Oberlicht führt eine vierstufige, pyramidale Steintreppe. Die Mittelachse wird durch die aufwendige Portalarchitektur, die sich über das Erdgeschoss bis zu einem Dreiecksgiebel im Kranzgesims fortsetzt, betont. Das hoch aufragende, schiefergedeckte Mansarddach mit Krüppelwalmen trägt drei Mansardfenster, auf dem Oberdach befinden sich zwei kleine Satteldachgauben mit Holzrahmung.

Nicht minder bemerkenswert ist der Eingangsbereich mit der pyramidalen Steintreppe, dem barocken Türblatt sowie der aufwendigen Umrandung aus gelbem Sandstein. Das rustizierte Portal weist um die Türöffnung eine großzügig dimensionierte Hohlkehle auf, die im Türsturz einen Blendsegmentbogen mit trapezförmigem, auskragendem Schlussstein bildet. Flankiert wird die Türöffnung von Pilastern. Direkt oberhalb des Blendsegmentbogen verläuft ein schmales, verkröpftes Rundprofil, über dem sich ein glatter Steinbalken anschließt. Die waagrecht ausgebildete, stark profilierte und verkröpfte Verdachung setzt sich aus Viertelstab, Hohlkehle, Fries und Viertelstab zusammen.

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Das barocke Türblatt hat sich mitsamt den originalen Beschlägen inklusive eines Türklopfers erhalten. Es zeigt im unteren Drittel eine achtfach unterteilte Kassettierung, bei der in den vier Ecken Viertelkreise platziert sind, die vier mit den Spitzen zur Mitte zeigende Fünfecke einfassen. In den oberen beiden Dritteln befindet sich eine hochrechteckige Kassettierung mit profilierter, unten wie oben wellenförmiger Außenkante, ein für barocke Türen und Möbel charakteristische Gestaltungsweise. Im Obergeschoss setzt sich die Portalarchitektur nahtlos fort. Zwei niedrige Pilaster, die mit hochrechteckigen Feldern mit viertelkreisförmig beschnittenen Ecken versehen sind, flankieren ein Brüstungsfeld, das eine ebensolche, aber querrechteckige Verzierung aufweist. Das Fenstersims, das aus zwei aufeinanderfolgenden Hohlkehlen und einem Viertelstab besteht, setzt sich verkröpft über die Pilaster fort.

Im Bereich des Fensters ist das Sims nach vorne wellenförmig ausgebildet, hier kommt das für den Barock charakteristische Wechselspiel von konkaven und konvexen Formen zum Ausdruck. Nicht minder charakteristisch ist die Steinrahmung des mittleren Obergeschossfensters. Die Innenkante der Fensteröffnung wird von einem filigranen Viertelstabprofil umlaufen. Nach innen sind die oberen Ecken der Öffnung abgerundet. Die Außenkannte der Rahmung ist oben viertelkreisförmig eingezogen, es folgen schwach ausgeprägte Ohrungen, unten schweift die Rahmung wellenförmig nach außen. Ein flaches Profil betont die Kante, unten dreht es sich schneckenförmig ein und weist mittig ein Muschelornament auf.

Das Fenster besitzt eine gerade, aus einem Viertstabprofil gebildete Verdachung, die von einem leicht auskragenden, trapezförmigen Schlussstein durchbrochen wird, der zu einem von Blattschmuck umgebenen, ovalen Medaillon mit der Jahreszahl „1764“ als Inschrift überleitet. Über der Jahreszahl ist ein kleeblattartiges Relief zu erkennen, das symbolisch für die Dreifaltigkeit stehen dürfte. Ein aus dem Kranzgesims auskragender, verkröpfter Dreiecksgiebel schließt die Gestaltung der Mittelachse ab und betont nochmals die Vertikale.

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Die Steinrahmungen der Erdgeschossfenster haben oben sowohl innen wie außen abgerundete Ecken. Die äußeren Kanten der Fensterstürze sind zur Mitte hin nach oben geschwungen und betonen zusammen mit den trapezförmigen Schlusssteinen die Vertikale. Die Sichtflächen der Fensterrahmung sind mit dem Scharriereisen bearbeitet, die Schlusssteine zeigen mittig eine mit dem Spitzeisen bearbeitete Fläche, die von einem schmalen Rand, der im Stelzhieb ausgeführt wurde, umgeben ist. Die Brüstungsfelder weisen statt des Besenstippputzes einen glatten Putz auf, der auch die Fensterrahmung in einem schmalen Streifen umgibt. Hierdurch kommen die Steinelemente besonders zur Geltung. Die Steinumrandungen der Obergeschossfenster entsprechen, bis auf die seitlichen Voluten, in ihrer Gestaltung dem bereits beschriebenen Fenster oberhalb des Portals.

Die Erdgeschossfenster sind mit weiß gestrichenen Eisengittern versehen, die des Obergeschoss haben weiß gestrichene Holzklappläden. Zu erwähnen sind noch zwei kleine Segmentbogenfenster, die einen Zugang zum Keller auf der äußeren rechten Achse flankieren. Den oberen Abschluss der Fassade bildet das großzügig dimensionierte und profilierte Kranzgesims aus gelbem Sandstein. Seine Profilierung besteht aus sich abwechselnden Viertelstäben und Hohlkehlen unterschiedlicher Breite. Die Sandsteinrahmungen der Mansardfenster haben profilierte Innenkannten und schließen mit Segmentbögen ab.

 

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Die südliche Giebelfassade ist dreigeschossig aufgebaut und in drei Vertikalachsen unterteilt. Seitlich wird sie von rustizierten Ecklisenen aus gelbem Sandstein eingefasst, deren Ecken abgerundet sind. Die horizontale Gliederung besorgen ein Sockel, ein Gurtgesims sowie das Kranzgesims aus gelbem Sandstein. Die Sandsteinrahmungen der Fenster sind auf die gleiche Weise ausgebildet wie bei der Hauptfassade.

Gleiches gilt für den Putz der Mauerflächen. Da das Dach keine voll ausgebildeten Walme besitzt, sondern nur Krüppelwalme, befindet sich zwischen Kranzgesims und Dach eine senkrecht aufragende Mauerfläche. Zwischen Kranzgesims und Giebelwand befindet sich ein sehr schmales, schiefergedecktes Dach. Die Giebelwand zeichnet sich durch ihre wellenförmig nach außen geschwungenen Seiten aus, die der Giebelfassade eine äußerst elegante Erscheinung verleihen. Dieser Eindruck wird noch durch filigrane Profile verstärkt, die oben wie unten zu Voluten eingerollt sind. Auf den Fensterachsen zeigt die Giebelwand je ein querovales Oculus mit profilierter Innenkante an der Sandsteinrahmung. Zum Krüppelwalm leitet ein schmales, aus einer Hohlkehle gebildetes Kranzgesims aus gelbem Sandstein über.

Die Westfassade entspricht im Großen und Ganzen der Hauptfassade im Osten, mit einigen kleineren Abweichungen. So ist die Steinumrandung des Hintereingangs entsprechend seiner geringeren Bedeutung weitaus einfacher gehalten. Sie entspricht den Rahmungen der Erdgeschossfenster. Weitere Unterschiede lassen sich am Brüstungsfeld des Oberschossfensters über dem Hintereingang feststellen. Dieses zeigt in einem Kassettenfeld mittig ein gemeißeltes Blütenornament, umgeben von einer kreisrunden Form.

 

Des Weiteren werden die seitlichen Voluten von je einer nach innen gerichteten Blume begleitet. Der Dreiecksgiebel, mit dem auch hier die Mittelachse abschließt, zeigt in der Mitte ein von floralem Schmuck begleitetes Medaillon, in dem sich die über den Bauherrn aufklärende Inschrift befindet („DOMUS PARROCHALIS ERECTAS UB PASTORE IOANNE OTTONE BORRIGS“). Die Mansardfenster sind, ebenfalls aufgrund der geringeren Bedeutung der Westfassade, nicht mit Sandsteinrahmungen versehen, sondern haben die Form von kleinen Satteldachgauben mit hölzernen, weiß gestrichenen Rahmungen. Das Oberdach trägt hier keine Dachgauben.

Die nördliche Giebelfassade ist im Vergleich mit den übrigen Fassaden des Pfarrhauses viel einfache gestaltet und weist nur vier Fensteröffnungen auf. Dies kann dadurch erklärt werden, dass diese Fassade ursprünglich sehr nahe an dem später ersetzten Nebengebäude lag und somit wahrscheinlich nur teilweise eingesehen werden konnte. Um Kosten zu sparen, wurde bei dieser Fassade daher auf die Verwendung von Schmuck größtenteils verzichtet. Daher werden die beiden Gesimse der Hauptfassade (Gurt- und Kranzgesims) hier auch nur ein Stück weit fortgesetzt.

Die geringe Anzahl an Fenstern kann dadurch erklärt werden, dass in diesem Teil des Gebäudes ursprünglich Lager- bzw. Gesinderäume zu finden waren. So gibt es auf der Mittelachse ein kleines, eisenvergittertes Fenster mit einer Sandsteinrahmung, das zu einem Zwischengeschoss gehört. Im Obergeschoss gibt es ein repräsentativeres, zweitgeteiltes und eisenvergittertes Fenster, dessen Sandsteinrahmung in der Gestaltung den Obergeschossfenster der übrigen Fassaden entspricht. Im Giebel gibt es zwei querovale Oculi mit profilierten Sandsteinrahmungen. Die Mauerflächen zeigen den gleichen Putz wie die übrigen Fassaden. Das Dach trägt eine Satteldachgaube mit Holzrahmung.

 

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Im Inneren des Wohnhauses hat sich bauzeitliche Struktur sowohl was die Geschoss- wie auch die Raumeinteilung betrifft, erhalten. Durch den Haupteingang gelangt man in eine Eingangshalle, deren größere, rechte Hälfte durch eine imposante mehrläufige Steintreppe, die ins Obergeschoss führt, eingenommen wird. Die linke, kleinere Hälfte gehört zum Hausflur, der das Gebäude auf seiner gesamten Tiefe durchmisst, zum Hintereingang führt und den Grundriss in zwei Hälften teilt. Im Bereich der Eingangshalle markiert ein Stuckbalken den Übergang zwischen Flur und Treppenhaus. Neben der Eingangstür und am Treppenanfang stützt je ein Pilaster diesen Balken. Die repräsentativeren Räume befinden sich in der linken, südlichen Gebäudehälfte, die rechte, nördliche Hälfte beherbergt hingegen hauptsächlich Räume, die als Lager und zur Unterbringung des Gesindes dienten.

In der Eingangshalle und im Flur ist der Fußboden mit Platten aus Solnhofener Kalkstein ausgelegt. Dieser Naturwerkstein stammt aus dem Altmühljura der Fränkischen Alb in Bayern, die aus ihm hergestellten Wand- und Bodenplatten werden als Solnhofer Platten bezeichnet. Sie besitzen eine cremefarben bis ockergelbe Färbung mit bräunlichen und gräulichen Stellen. Ihre charakteristische Erscheinung erhalten die Platten durch als Dendriten bezeichnete Kristallstrukturen, die das Aussehen von Farnen oder Bäumchen haben. Die Solnhofer Platten in Eingangshalle und Flur des Pfarrhauses sind nicht der ursprüngliche Bodenbelag, sondern stellen eine spätere, dennoch als Zeitzeuge schutzwürdige Entwicklungsstufe dar. Die sehr repräsentativ gestaltete Treppe ins Obergeschoss besitzt ein aufwendig gearbeitetes, aus Balustern zusammengesetztes, grau gefasstes Holzgeländern mit einem nach vorne wellenförmig geschwungenen, unten schneckenartig eingedrehten Treppenanfänger. Der hölzerne Handlauf ist in Marmorimitation bemalt. Die Treppenunterseiten weisen ab dem Obergeschoss kassettierten Stuck auf.

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Die Beschreibung der Erdgeschossräume erfolgt im Uhrzeigersinn, beginnend auf der linken, südlichen Flurseite. Der erste Raum ist über eine Tür linker Hand des Haupteingangs erreichbar. Die Tür mit tiefer Laibung besitzt noch ihre Holzrahmung mit mehrfach profilierten Zierblenden und kassettierten Zargen. Auch das kassettierte Türblatt ist mitsamt des Türbeschlags aus Metall erhalten. Besonders die obere Kassettierung, die zwei Drittel des Türblattes einnimmt zeigt mit ihren wellenförmig geschwungenen, filigran profilierten Unter- und Oberkanten eine barocke Formensprache. Nahezu alle Türen des Erdgeschosses entsprechen diesem Typus und sind vollständig erhalten. Der hinter der Tür liegende Raum besitzt eine tief gelaibtes Fenster mit kassettierten Innenläden aus Holz an seiner Ostseite, der folgende Raum wird über ein Tür an der Südseite erschlossen. Der Bodenbelag besteht aus im Schiffsbodenverband (auch als Wilder Verband bezeichnet) verlegtem Parkett. Bei dieser Verlegart haben die einzelnen Stäbe ungleiche Längen und werden mit versetzten Stößen verlegt, wie dies bei einem Schiffsdeck der Fall ist. Die Stuckdecke ist einfach gehalten, an ihren Außenkanten verläuft ein mehrfaches Stuckprofil.

Gegenüber dem Fenster an der Westseite des Raumes befindet sich ein in helltürkiser Farbe gefasster Takenschrank. Er gehört zur ursprünglichen Kochstelle des Hauses, die sich in dem dahinterliegenden Raum auf der Westseite befindet. Der Takenschrank setzt sich aus einer offenen Nische im unteren Drittel, in der sich die gusseiserne Takenplatte befindet, und zwei Flügeltüren in den beiden oberen Dritteln zusammen. Die Innenkanten der Takennische sind mit einer filigranen Hohlkehle profiliert, oben weist die Innenkante eine wellenförmige Ornamentierung auf.

Die Türflügel zeigen je zwei vertikal angeordnete, quadratische Kassettierungen, wobei die obere Kassettierung nochmals in drei Felder unterteilt ist, mit geschwungener, wellenförmiger und gezackter Kante. Zwischen den Türflügeln befindet sich ein Mittelpfosten, dessen Stirnseite ebenfalls kassettiert ist und in der Mitte ein geschnitztes, sternförmiges Blütenornament zeigt. Zwischen den Türflügeln und der Verdachung findet sich je eine weitere, querrechteckige Kassettierung. Die gerade Verdachung des Takenschranks setzt sich aus einer filigranen Hohlkehle, Viertelstab, breiter Hohlkehle und einem abschließenden Viertelstab zusammen.

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Die Takenplatte zeigt mittig ein Medaillon mit einem Wappen, darüber die Jahreszahl „1800“, in den vier Ecken Blattschmuck. Das Wappen besteht aus einem nach heraldisch rechts gewendeten Löwen mit Krone und Doppelschwanz, den zwei nach innen gewendete, aber nach außen blickende Löwen, ebenfalls mit Kronen, flankieren. Die beiden Löwen tragen eine große Krone, die sich baldachinartig über dem mittleren, kleineren Löwen befindet. Es ist davon auszugehen, dass es sich das Wappen des Hauses Oranien-Nassau handelt. Sowohl die Jahreszahl wie auch das Wappen lassen es fraglich erscheinen, dass die Takenplatte zur ursprünglichen Ausstattung des Pfarrhauses gehört. Es ist eher davon auszugehen, dass sie später, vielleicht als Ersatz einer beschädigten oder verlorengegangenen Platte, installiert wurde.

Der folgende Raum befindet sich an der südöstlichen Ecke des Hauses. Es handelt sich um einen größeren Raum, der an seiner Ostseite ein, an der Südseite zwei Fenster mit kassettierten Innenläden besitzt. Der nachfolgende Raum wird über eine Tür an der Westseite erschlossen. Ein besonderes Merkmal des Raumes sind seine abgerundeten Ecken. Der Bodenbelag besteht aus einem Eichenholzparkett, das im Fischgrätmuster verlegt ist, mit einer Bordüre im Parallelverband. Die Zimmerdecke ist äußerst prachtvoll gestaltet. Sie weist eine aufwendige Stuckatur mit farbig gefassten, teils vergoldeten Blumengirlanden auf. Entlang der Wände verläuft zunächst ein Stuckprofil mit einem Blätterfries.

Auf dieses folgt eine sehr breite Hohlkehle, in der sich je zwei farblich abgesetzte, hellbeige gefasste, querovale Felder befinden. Entlang der inneren Kante der Hohlkehle verläuft ein weiteres Stuckprofil, das in regelmäßigen Abständen mit grün gefassten Bändern, auf denen sich vergoldete Blüten befinden, besetzt ist, so dass der Eindruck eines von einem Band umwundenen Stabes entsteht. An jeder Raumseite befinden sich in der Hohlkehle farbig gefasste, teils vergoldete Blumengirlanden aus Stuck.

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Weitere Blumengirlanden sind in den Ecken der Decke platziert, teilweise in Begleitung von Rocailleornamenten. In der Deckenmitte findet sich eine Stuckrosette mit floralem Schmuck, die farbig gefasst und teilweise vergoldet ist. Umgeben wird sie von farbig gefassten Blumengirlanden, die in der Form eines Vierpasses angeordnet sind. In der nordwestlichen Ecke des Raumes befindet sich eine Konche (eine halbrunde Wandnische, die mit einer Halbkuppel abgeschlossen ist), die von profilierten Stuckpilastern flankiert wird.

Die Halbkuppel der weiß gefassten Konche weist weitere, gefasste Blumengirlanden auf. Die Pilaster sind hellbeige gefasst, ihre Kapitelle mit Girlanden und Blütenfriesen geschmückt und ebenfalls farbig gefasst, teilweise vergoldet. Die Bogenzwickel über der Halbkuppel (die Wandfläche zwischen Kuppel und Decke) sind ebenfalls hellbeige gefasst und von einem gefassten Fries umrandet. In der Mitte über der Konche ist ein Medaillon platziert, das einen profilierten Rand mit vergoldetem Perlfries aufweist. In dem Medaillon ist im Relief die Büste eines pausbäckigen Kindes mit blumenbekränztem Haupt zu sehen, es dürfte sich um die Darstellung eines Putto handeln. Breit ausladende, üppig geformt Blumengirlanden flankieren das Medaillon. In der Konche steht ein kleines Öfchen.

Der dritte Raum, in der südwestlichen Ecke des Hauses verortet, wird über eine Tür an seine Ostseite erschlossen. Er besitzt sowohl nach Süden wie auch nach Osten je ein Fenster. Zum folgenden Raum führt eine zweiflüglige Tür. Die ursprüngliche Beschaffenheit des Fußbodens, der mit Teppichboden ausgelegt ist, konnte nicht überprüft werden. Die Wände werden durch profilierte Stuckleisten in rechteckige, weiß gestrichene Felder unterteilt, die dazwischenliegenden Wandflächen sind hellbeige gestrichen.

Das besondere Schmuckstück dieses Raumes ist ein äußerst prachtvoller, barocker Takenschrank an der Ostwand. Der vorzüglich erhaltene Takenschrank ist dreiteilig aufgebaut: unten befindet sich eine offene Nische, in der sich eine gusseiserne Takenplatte befindet; darüber ein herunterklappbares Bord, auf das zwei Türflügel folgen; abgeschlossen wird der Schrank von einer mittig nach oben geschwungenen, großzügig profilierten und geschmückten Verdachung. Die gesamte Machart und die Ornamentik des Takenschranks sprechen dafür, dass es sich um ein Werk des Junglinster Schreiners Calteux handelt, dem auch das Portal der Pfarrkirche St. Martin zugeschrieben wird.

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Besonders die verschlungenen, teils eingerollten Profile der Kassettierungen, die an den Seiten und am Mittelpfosten zu findenden Schnitzereien, die herabhängende Blumen darstellen, sowie die sich überkreuzenden Profile deuten darauf hin. Mit seiner bewegten, wellenartigen Formensprache und der Rocailleornamentik in der Mitte der Verdachung präsentiert sich der Takenschrank als ein Kleinod barocker Schreinerkunst. Bemerkenswert ist die vorzügliche Erhaltung, zu der auch die Metallbeschläge gehören. Die Takenplatte zeigt in einem floralen Rahmen die von Blumenranken umgebene Darstellung eines Vogels, der aus den Flammen eines Feuers aufsteigt. Dies ist die Darstellung des mythischen Vogels Phönix, der am Ende seines Lebens stirbt und aus der Asche wieder aufersteht. Im Christentum gilt der Phönix als Sinnbild der Auferstehung.

Der folgende Raum bildet das letzte Zimmer auf Südseite des Hausflurs. Er wird über eine zweiflüglige Tür an seiner Südseite erschlossen, besitzt ein Fenster an der Westseite und eine Tür zum Flur an der Nordseite. In diesem Raum befand sich ursprünglich die Kochstelle, wie noch immer anhand des Kamins an der Ostseite erkennbar ist. Der Fußbodenbelag besteht wie im Flur aus Solnhofer Platten. Durch einen niedrigen und breiten, von Pilastern gestützten Korbbogen wird der Raum in zwei Abschnitte unterteilt. Im westlichen, größeren Abschnitt findet sich eine Stuckdecke mit runden Seitenkanten und Blattornamenten in den Ecken. Der kleinere, östliche Abschnitt beherbergte ursprünglich die Kochstelle.

Der breite Korbbogen dient zur Abstützung des Rauchfangs („Haascht“), er wird von grau gefassten Pilastern aufgenommen, seine Laibung ist ebenfalls in grauer Farbe gefasst. Die Pilaster sind mit Namenskürzeln und Jahreszahlen in weißer Farbe beschriftet, es handelt sich um die Namenskürzel und Geburtsdaten von Kindern der ehemaligen Besiterfamilie. Der Sandsteinkamin wird durch zwei kannelierte Pilaster mit ionischen Kapitellen, die zusätzlich mit Blumengirlanden geschmückt sind gebildet. Das Kaminsims orientiert sich ebenfalls an klassisch antiken Formen, mit einem Architrav, Eierstab, und profilierter Verdachung. Die Kaminöffnung wurde wahrscheinlich nachträglich mit Ziegelsteinen teilweise zugemauert und mit einer Metalltür geschlossen. An der linken Wand der Kochstelle hat sich ein tabernakelartiges Holzschränkchen erhalten.

 

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Der erste Raum auf der rechten, nördlichen Seite des Hauses ist heute als Küche eingerichtet, eine Funktion, die er auch schon ursprünglich erfüllt haben dürfte. Gemäß seiner weniger repräsentativen Funktion besitzt der Raum nur eine einfach gestaltete Kassettentür. Ein Fenster öffnet sich an der Westseite. Der Fußboden ist modern gefliest, die Deckenkanten zeigen ein Stuckprofil. Bemerkenswert ist ein Einbauschrank an der Nordwand, der mit einem Gesims in Form einer Hohlkehle abschließt. Das Waschbecken befindet sich noch an seinem ursprünglichen Platz unterhalb des Fensters. Leider wurde es mit Fliesen verkleidet, jedoch konnte bei der Betrachtung von unten festgestellt werden, dass es sich noch um das bauzeitliche Waschbecken aus gelbem Sandstein handelt. Als letzter Raum folgt noch eine Toilette, deren Fußboden ebenfalls Solnhofer Platten aufweist.

Auf dem ersten Treppenabsatz führt eine kassettierte, teils durchfensterte Tür zu einem Zwischengeschoss, das sehr niedrige, ursprünglich wohl als Lager- und Hauswirtschaftsräume dienende Kammern beinhaltet. Der Bodenbelag besteht teilweise aus Holzdielen, teilweise aus Fliesen und Beton. Bemerkenswert sind zwei hölzerne Türrahmungen.

 

Das Obergeschoss wird wie das Erdgeschoss durch einen langen, durch die Mitte in der gesamten Tiefe verlaufenden Flur in zwei Hälften geteilt. Auch im Obergeschoss sind die repräsentativeren Räume in der südlichen Gebäudehälfte zu finden. Der Bodenbelag im Flur besteht noch aus den ursprünglichen, sehr breiten Holzdielen. Die Stuckdecke weist eine mehrfach profilierte Leiste entlang der Außenkanten auf.

Die Beschreibung der einzelnen Räume erfolgt im Uhrzeigersinn, beginnend beim ersten Raum in der Südhälfte. Er wird über eine zweiflüglige, kassettierte Tür erschlossen, die bauzeitlich überliefert ist und den Türen des Erdgeschosses entspricht. Eine weitere Tür führt an der Südseite zum folgenden Raum, an der Ostseite befindet sich ein Fenster. Die Beschaffenheit des ursprünglichen Bodenbelages konnte aufgrund des heute vorzufindenden Teppichbodens nicht überprüft werden. Die Decke mit abgerundeten Außenkanten weist keine Stuckornamentik auf. Der folgende Raum wird über eine weitere zweiflüglige Tür in seiner Nordwand erschlossen, so dass die beiden Räume eine Enfilade bilden. Er besitzt an der Ostseite ein und an der Südseite zwei Fenster. Eine zweiflüglige Kassettentür führt zum nächsten Raum an der Westseite.

 

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Der Bodenbelag besteht aus Parkett, das im Schiffsbodenverband verlegt ist. Die Stuckdecke zeigt in der Mitte eine mehrfach profilierte Rosette, umgeben von einer ebenfalls mehrfach profilierten Vierpassform, entlang der Wände verläuft ein profiliertes Stuckprofil, das jeweils zweimal geschwungen nach Innen geführt wird. Der folgende Raum war ursprünglich etwas größer, er wurde durch eine eingezogene Wand, die oben aus zwei Reihen Glasbausteinen besteht abgetrennt. Die Abtrennung erfolgte, um ein Badezimmer einzurichten. Am durch die Abtrennung unterbrochenen, aber ansonsten intakten Deckenstuck kann dies auch noch nachvollzogen werden. Der nächste Raum öffnet sich mit einer zweiflügeligen Tür zum Flur und einem Fenster nach Westen. Der Fußboden ist hier mit Teppich ausgelegt, die Decke weist ein mehrfach profiliertes Stuckprofil auf.

Der folgende, erste Raum in der Nordhälfte des Hauses diente offenbar als Schlafzimmer. Der Raum wird über eine zweiflüglige Tür an seiner Südseite erschlossen und besitzt ein Fenster nach Westen. Der Bodenbelag besteht aus Parkett, das im Schiffsbodenverband verlegt ist, die Decke weist eine Stuckprofilierung auf. Der Deckenstuck ist auf einer etwas größeren Fläche beschädigt, wodurch die Balken und der Lehmbewurf sichtbar sind. Bemerkenswert ist ein Nische an der Ostseite, die von einer schmuckvollen, barocken Holzrahmung umgeben ist. Diese alkovenartige Nische könnte die Bettstatt des Hausherrn beherbergt haben. Neben der Nische findet sich eine Konche, ähnlich der im Erdgeschoss, in der Wand. Hier war ursprünglich wohl auch ein kleines Öfchen untergebracht. Die übrigen Räume der Nordhälfte sind etwas stärker von nachträglichen Veränderungen betroffen, da man hier Trennwände aus Holz eingebaut und ein Badezimmer eingerichtet hat. Dennoch haben sich hier mit Türen und Holzfußböden auch ursprüngliche Elemente erhalten.

Zum Dachgeschoss setzt die Treppe sich mit Holzstufen fort, das Geländer wird in der gleichen Form wie bisher fortgeführt. Das Dachgeschoss ist besteht aus einem großen und mehreren kleineren Räumen, die wohl der Unterbringung des Gesindes gedient haben mögen. Der Bodenbelag in Form breiter Holzdielen ist bauzeitlich überliefert, ebenso der Kehlbalkendachstuhl. Ebenso findet sich noch der Rauchfang („Haascht“) vor, der eine beträchtliche Größe besitzt. Der Keller des Pfarrhauses besteht aus zwei Abteilungen mit tonnengewölbten Decken.

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Nebengebäude

Zum Pfarrhaus gehören zwei ursprünglich zu landwirtschaftlichen Zwecken errichtete Nebengebäude, die sich an der nördlichen Grenze des Grundstücks befinden. Das kleinere der beiden Nebengebäude an der nordöstlichen Grundstücksecke wurde zeitgleich mit dem Pfarrhaus errichtet, das größere ersetzte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen Vorgängerbau. Das kleinere Nebengebäude ist zur nördlich verlaufenden Rue de Bourglinster giebelständig und besitzt einen unregelmäßigen Grundriss. Seine Ostseite ist fensterlos, in der nördlichen Giebelfassade befinden sich zwei kleine Belüftungsfenster zum Heuboden. Die nach Westen orientierte Hauptfassade wird durch vier Pilaster in drei Abschnitte mit Türen, Toren und Fenstern unterteilt. Der Gebäudesockel besteht wie beim Pfarrhaus aus großen Sandsteinquadern.

Aus dem gleichen Material wurden die Rahmungen der Fenster, Tore und Türen gefertigt. Bemerkenswert ist das mittig platzierte, große Scheunentor, dessen Querbalken auf zwei profilierten Steinkonsolen ruht. Ebenso fällt das mehrfach profilierte, verkröpfte Kranzgesims ins Auge, das für ein Nutzgebäude bemerkenswert aufwendig ist. Im Inneren des Gebäudes haben sich die Holzbalkendecken erhalten.

Das größere Nebengebäude wurde später errichtet, weist jedoch zahlreiche stilistische Überschneidungen mit dem älteren Gebäude auf. So findet sich auch hier die Sockelzone aus Sandstein und die auch die gliedernden Pilaster kehren wieder. Ebenso bestehen die Rahmungen der Wandöffnungen wiederum aus Sandstein. Zudem ruhen auch hier die die Querbalken der Scheunentoren auf profilierten Steinkonsolen. Im Innern findet sich Kopfsteinpflaster und stellenweise Fliesenboden. Auch hier sind Balkendecken vorhanden. Zu beachten sind zwei kleine Steintröge aus Sandstein. Der Dachstuhl ist erhalten.

Das Ensemble aus Pfarrhaus, Nebengebäuden und Garten stellt ein bemerkenswert gut erhaltenes Zeugnis der Baukunst des 18. und 19. Jahrhunderts dar. Aufgrund seiner engen Verbindung mit der bereits unter Schutz stehenden Pfarrkirche und seiner architektonischen und geschichtlichen Bedeutung ist das Ensemble unbedingt unter Denkmalschutz zu stellen.

Quellenangaben

1 Zur Biographie Borrigs, siehe: Nilles, Paul: Beiträge zur Geschichte der Pfarrei Junglinster, S. 61-65.
2 Ebd., S. 62.
3 Ebd., S. 65.
4 Ebd., S. 76.
5 Ebd., S. 83.
6 Ebd., S. 84.
7 Ebd., S. 85.
8 Ebd., S. 83.
9 Joseph Johann von Ferraris: Carte de cabinet des Pays-Bas autrichiens, Blatt 243, Bourglinster, https://uurl.kbr.be/1028392 (letzter Aufruf am 02.08.2023).
10 Administration du cadastre et de la topographie du Grand-Duché de Luxembourg: Plan parcellaire de la commune de Junglinster, Sektion A4a Junglinster, Parzelle Nr. 1461. 1811.
11 Administration du cadastre et de la topographie du Grand-Duché de Luxembourg: Urkataster, Sektion B Junglinster, Parzelle Nr. 2101. 1830ff. (überarbeitete Version).
12 Administration du cadastre et de la topographie du Grand-Duché de Luxembourg: Cases croquis Nr. 447. Junglinster, Rue du Village, 2101/9435, 1855.
13 Administration du cadastre et de la topographie du Grand-Duché de Luxembourg: Cases croquis Nr. 825. Junglinster, Rue du Village, 2101/9435, 1872.
14 Administration du cadastre et de la topographie du Grand-Duché de Luxembourg: Tableau indicatif supplémentaire et procès-verbal d’expertise, Junglinste, 1872.
15 Gasch, Hans Albrecht; Glaser, Gerhard: Historische Putze. Materialien und Technologien. Hrsg. von der Handwerkskammer zu Leipzig. Dresden 2011, S. 33.